Klavier Festival Ruhr
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Petruschka hören

Diese Rubrik der Website führt Sie durch die Musik von Petruschka, eingespielt von den Bochumer Symphonikern unter der Leitung von Steven Sloane. Hier können Sie Schritt für Schritt nachvollziehen, was auf der Handlungsebene geschieht und wie dies musikalisch dargestellt wird. Die Partitur von Petruschka liegt in zwei Versionen vor: in der Originalfassung für großes Orchester (1911) sowie in einer Fassung für ein etwas kleiner besetztes Orchester, die Strawinsky 1947 insbesondere für Aufführungen des Werkes im Konzertsaal anfertigte. Die beiden Versionen unterscheiden sich vor allem durch die unterschiedliche Orchestrierung.

Die Nummern im Text beziehen sich auf die Ziffern in der Partitur von 1947, die bei Boosey and Hawkes erschienen ist. Wenn Sie auf eine Nummer klicken, gelangen Sie direkt zum passenden Hörbeispiel. Eine schwarze Nummer in Klammern – z.B. (56) – bedeutet, dass auf dieser Webseite zu dieser Stelle kein Klangbeispiel verfügbar ist; der Musikausschnitt kann aber problemlos mit Hilfe einer Partitur auf einer CD Aufnahme von Petruschka gefunden werden.

Die Musikbeispiele sind relativ kurz. Sie können zum einen benutzt werden, um den Kindern einen Eindruck von Strawinskys Musik zu ermöglichen; zum anderen, um die Stelle auf der CD zu finden und so einen längeren Musikabschnitt vorspielen zu können.

Das Ballett Petrushka spielt auf einem russischen Jahrmarkt. In der Musik sind daher zahlreiche Volksmelodien zu hören. Die meisten dieser Melodien sind traditionelle Lieder. Viele werden von Borduntönen begleitet, die an die Haltetöne von Dudelsäcken erinnern.

Petruschka: Burleske in 4 Teilen

1. Teil: Der Fastnachtsjahrmarkt
2. Teil: Bei Petruschka
3. Teil: Beim Mohren
4. Teil: Der Fastnachtsjahrmarkt und Petruschkas Tod

1. Teil: Der Fastnachtsjahrmarkt

Eröffnung   Der Fastnachtsjahrmarkt im alten St. Petersburg. Flöten und Celli verkörpern die um die Aufmerksamkeit der Passanten kämpfenden Marktschreier. Sie werden von Ostinati in den Klarinetten und Hörnern begleitet.

3   Das weißrussische Osterlied „Ding Dong Ding“ erklingt in den Bass-Instrumenten und wird auf merkwürdige Weise von den hohen Holzbläsern und dem Klavier imitiert.

18   Ein Drehorgelspieler beginnt zu spielen. Die Melodie wird durch das rege Treiben der Menschenmenge unterbrochen. Dadurch entsteht das Gefühl, man sei selbst auf einem Jahrmarkt und höre und erblicke im Gedränge ständig etwas Neues. Die Melodie erklingt ein weiteres Mal bei (22).

Ab jetzt arbeitet Strawinsky mit der Musik als sei sie ein Film, von einer Jahrmarktsszene zur nächsten springend. Musik, die schreiende und streitende Menschen zu beschreiben scheint; der banale Klang einer Drehorgel; eine Musikbox, die einen französischen Gassenhauer spielt 23  .

Strawinsky war einer der ersten Komponisten, die mit solch einer Collage-Technik arbeiteten. Diese revolutionäre Art der Verbindung verschiedener musikalischer Elemente wurde von vielen anderen Komponisten des 20. Jahrhunderts aufgegriffen.

25   Der Marktschreier-Ruf, der zu Beginn in den Flöten erklang, überlagert die Melodie der Drehorgel.

26   Während der Drehorgelspieler sein Programm wiederholt, beginnt eine Musikbox zu spielen.

(56) Die Trommeln zeigen an, dass wir am Ende einer Szene angekommen sind und erinnern uns zugleich daran, dass wir uns auf einem Jahrmarkt befinden.

57   Mit einem tiefen Grunzen kündigt das Kontrafagott den ersten Auftritt des Scharlatans an.

60   Der Scharlatan spielt eine beschwörende Melodie auf seiner Flöte.

61   Die Puppen erwachen auf geheimnisvolle Weise zum Leben. Der berühmte französische Komponist Claude Debussy war von der außergewöhnlich feinschichtigen Instrumentierung dieser Stelle begeistert.

64   Russischer Tanz – die Puppen beginnen wild zu tanzen.

(91) Trommeln zeigen an, dass wir das Ende des ersten Teils erreicht haben.

2. Teil: Bei Petruschka

95   Der Petruschka-Akkord. Petruschka ist allein in seinem Zimmer. Er ist wütend darüber, wie der Scharlatan ihn behandelt. Es erklingt zum ersten Mal das markante Petruschka-Motiv, gespielt von zwei Klarinetten. Später hören wir dieses Motiv in verschiedenen Variationen, die die unterschiedlichen Gemütszustände Petruschkas widerspiegeln – 97  , 98  , (116), (118), 151  , 153  , 253  , 265  .

98   Petruschka ist außer sich; das Klavier spielt verrückt. Dies ist Teil von Strawinskys ursprünglicher Konzeption der Musik; denn er plante Petruschka anfangs noch als Klavierkonzert und nicht als Ballett.

102   Petruschka träumt von der Ballerina; das Klavier spielt verzückte Schauer.

104   Die große Trommel und das Becken ergänzen die Begleitung dieses kleinen Liebesliedes und verweisen in ihrem Charakter bereits auf den Auftritt des Mohren. Die Melodie erklingt im Englisch Horn.

112   Petruschka befindet sich auf dem Höhepunkt seiner inneren Qualen, dargestellt durch einen musikalischen Aufschrei in der Soloklarinette.

(119) Trommeln markieren das Ende des Teils.

3. Teil: Beim Mohren

125   Der arrogante und exotisch gekleidete Mohr ist in seinem Zimmer. Seine Melodie wird von der großen Trommel und dem Becken begleitet – Instrumente, die seit dem 17. Jahrhundert von Komponisten klassischer Musik als traditionelle orientalische Instrumente eingesetzt wurden (z.B. von Mozart in seiner Oper Die Entführung aus dem Serail). Die Melodie wird von der ersten Klarinette und der Bassklarinette im Abstand von zwei Oktaven gespielt. Vier Takte nach Ziffer 132   erklingt die Melodie in den beiden Fagotten und im Horn.

130   Der Mohr zeigt, welche Aggressivität in ihm steckt.

134   Die Ballerina betritt das Zimmer. Sie spielt auf einer Spielzeugtrompete, begleitet von einer kleinen Trommel.

(140) Eine Walzermelodie wird im Wechsel von Flöte und Trompete gespielt.

149   Bei der Wiederholung des Walzers tanzen die Ballerina und der Mohr gemeinsam. Das unheimliche Motiv des Mohren, das im Englisch Horn erklingt, zeigt, dass er den Takt nicht halten kann.

151   Streicher erzeugen durch Tremoli eine plötzliche Spannung. Dann erklingt der Petruschka-Akkord in den gedämpften Trompeten, als der vor Eifersucht rasende Petruschka die Szene betritt, um das tanzende Paar zur Rede zu stellen.

153   Der Petruschka-Akkord signalisiert den beginnenden Kampf zwischen Petruschka und dem Mohren.

(160) Die Trommeln weisen erneut auf das Ende des Teils hin.

4. Teil: Der Fastnachtsjahrmarkt und Petruschkas Tod

161   Zurück auf dem Jahrmarkt. Der erste Abschnitt des 4. Teils besteht aus einer Reihe von Tänzen (Petruschka ist schließlich ein Ballett), die durch das Erscheinen eines Bären unterbrochen wird.

166   Merkwürdige 5-Ton-Gruppen (Oboen und Hörner) erklingen. Sie treten erneut auf, wenn sich gegen Ende des Werkes die Musik dem Höhepunkt nähert (240).

174   Eine Reminiszenz an den Marktschreier-Ruf der Flöten aus der Anfangspassage des ersten Teils.

180   Das Lied „Ach, du meine enge kleine Kammer“.

185   Die Melodien aus den Ziffern (171) und 180 werden kombiniert.

187   Plötzlich bricht Panik aus: zunächst in den Bratschen und Fagotten, die unvermittelt andere Notenwerte spielen. Kurz darauf fällt das ganze Orchester ein und auf der Bühne erscheint ein Bär. Der Ruf des Bärenführers erklingt in zwei sehr hohen Klarinetten, durchdringend und ungestimmt, wie auf einem alten Bauerninstrument.

189   Der Bär wird von der Tuba verkörpert.

Der Bär wird von der Tuba verkörpert.

229   Es erklingt eine russische Volksmelodie, die wir in unserem Projekt mit dem Text „Petruschka, du bist ein Pechvogel“ unterlegt haben. Strawinsky schreibt sie als kraftvollen Kanon in den Trompeten und Posaunen sowie Violinen und Celli. Das restliche Orchester spielt dazu verschiedene Ostinati.

(234) Ein plötzlicher, unheimlicher Stimmungswechsel; Klavier und Harfe spielen allein. Dunkel gekleidete, maskierte Tänzer erscheinen und die Spannung steigt.

240   Die 5-Ton-Gruppen, die zum ersten Mal in Ziffer 166   erklangen, werden nun von Posaunen, Tuba, Pauken, Celli und Kontrabässen gespielt.

246   Nach all der Aufregung und dem Chaos kehrt überraschend das Lied „Ding Dong Ding“ wieder, vom Horn leise gespielt.

251   Aus dem Puppentheater erklingt plötzlich Petruschkas gellender Schrei. Dieser erklingt in 3 Trompeten, die nacheinander auf demselben Ton einsetzen.

257   Der Mohr sticht Petruschka endgültig nieder. Strawinsky gibt in seiner Partitur die Anweisung, dass das Tamburin auf den Boden fallen soll, um den Zusammenbruch Petruschkas darzustellen.

258   Petruschka zuckt (Flöte und Piccoloflöte, anschließend Klarinetten), denkt zum letzten Mal trunken vor Liebe an die Ballerina (Klarinette, dann Solo-Violine mit Fagott) und stirbt.

260   Ein Polizist erscheint. Dazu stereotype Musik, von den Fagotten gespielt.

261   Die Musik von Ziffer 57   erklingt erneut, als der Scharlatan seine Unschuld beteuert. Das Kontrafagott spielt drei einzelne Töne: „Er ist nur eine Puppe, die aus Holz und Sägespänen besteht.”

262   Die Menge ist erleichtert und löst sich auf. Die Hörner scheinen die Musik zu einem Abschluss bringen zu wollen, begleitet durch einige Pizzicato-Töne in den Celli und Kontrabässen.

(263) Aber die Musik setzt erneut ein (Hörner) und plötzlich….

265   ...erscheint der Geist Petruschkas auf dem Dach des Theaters und schüttelt seine Faust in Richtung des angsterfüllten Scharlatans. Der Geist wird von zwei gedämpften Trompeten verkörpert, die so laut wie möglich spielen sollen.

267   Nach dem Schock von Petruschkas plötzlicher Wiederkehr verklingt die Musik mit einigen Pizzicato-Tönen. Die verstörende Schlusswirkung wird durch einen Tritonus zwischen vorletztem und letztem Ton (Celli und Kontrabässe) erzeugt.